Die führenden Fahrzeughersteller Deutschlands rücken langsam von der technikdominierten Zustandsprüfung während der Direktannahme ab. Was treibt den Inhaber eines mittelständischen Meisterbetriebs dazu, fast eine halbe Million Euro in eine 17 Meter lange Halle mit modernster Prüftechnik für Fahrzeuge bis zu fünf Tonnen Gesamtgewicht zu investieren? Die vordergründige Aussage: „So befeuert er das Zusatzgeschäft“, liegt natürlich jedem Kommentator schnell auf der Zunge. Doch damit würde man Rainer Schwanfelder, dem Inhaber und Gründer des gleichnamigen Meisterbetriebs, nicht gerecht. Dessen durchaus auch altruistischen Beweggründe liegen tiefer.
Er besitzt einige Abschleppfahrzeuge, mit denen er Unfallautos birgt. ,,Ich bin oft draußen an den Unfallstellen und sehe daher so einiges, beispielsweise auch die offensichtlich defekten Stoßdämpfer oder die abgefahrenen Reifen': berichtet er aufgebracht. Er verstehe die Untätigkeit des Gesetzgebers nicht, der seit Jahrzehnten eine technische Prüfung der Stoßdämpfer oder des Gelenkspiels bei der HU nicht für nötig hält. Oft genug muss er Sachverständige bei ihren Untersuchungen an den eingeschleppten Fahrzeugen unterstützen - mahnend liegt dann das Hab und Gut der Unfallopfer neben den Autos. ,,Mir ist schon klar, warum viele junge Menschen aus „ungeklärter Ursache“ von der Straße abfliegen - denn auch bei der Fahrzeuginspektion werden solche Dinge meist unzureichend geprüft': stellt er seine Meinung klar.
Mit mechanischen und technischen Unzulänglichkeiten mag sich Rainer Schwanfelder nicht arrangieren. Er sucht immer nach einer Verbesserung und beschreitet gern auch unkonventionelle Wege. Bei einem Rundgang durch seinen Betrieb fallen viele clevere Detaillösungen auf. Das beginnt bei der vollklimatisierten Werkstatt („Wenn es so richtig knackeheiß ist, gehen meine Monteure lieber arbeiten, anstatt am Baggersee blauzumachen"), geht über einen Paternoster-Lageraufzug, der wertvolles Spezialwerkzeug diebstahlsicher und platzsparend aufbewahrt, bis hin zu einer von ihm erdachten Kleinlackierkabine, die viel Energie spart.
So reifte im Kopf des umtriebigen Tüftlers der Gedanke, alle seine Kundenfahrzeuge in kurzer Zeit vollständig durchzuprüfen. Zahlreiche Messebesuche später stellte er ernüchtert fest, dass keiner der einschlägigen Werkstattausrüster eine Komplettlösung anbot, die seinen Vorstellungen entsprach. ,,Der eine hatte dies, der andere das, und alle miteinander boten nur Kopflösungen an, bei denen der Prüfer wieder rückwärts aus der Prüfbox fahren muss. Doch das verhindert einen schnellen Durchlauf!“, resümiert Schwanfelder. So plante er seine Prüfhalle im Alleingang, nur in baurechtlichen und bautechnischen Aspekten von einem Architekten unterstützt.
Mitten auf dem Werkstatthof zwischen den Gebäudekomplexen einer Doppelwaschhalle mit angeschlossenen SB-Waschboxen und der Mechanikwerkstatt mit integrierter K&L-Abteilung hat Rainer Schwanfelder die Diagnosehalle errichtet. Sie besitzt je ein elektrisches Sektionaltor an den Stirnseiten und erlaubt so ein zügiges Durchfahren des Inneren, ohne rückwärts herausrangieren zu müssen. ,,Ich will jedes Kundenauto komplett durchprüfen, da darf ein Durchlauf nicht länger als zehn, maximal 15 Minuten dauern", lautet Schwanfelders Prämisse. Zwischen den Toren dominiert eine fast durchgehende flache Grube den mit einer maximalen Höhenabweichung von nur 1,5 Millimetern auf die Gesamtlänge extrem genau gegossenen Hallenboden. Sie ist 15 Meter lang, 2,40 Meter breit sowie 31 Zentimeter tief und der eigentliche Clou an Schwanfelders Konstrukt. Er hat sämtliche im Boden installierten Geräte wie Hebebühne, Bremsprüfstand oder Reifenscanner kurzerhand in gleich breite Module aufgeteilt, die er in ihrer Reihenfolge frei kombinieren kann. ,,Ich kann jede Komponente binnen ein bis zwei Tagen innerhalb der Halle an einen anderen On versetzen, wenn mir das sinnvoll erscheint'; erklärt Schwanfelder den eigentlichen Nutzen der von ihm erdachten Modulbauweise. Alle drei Meter ließ er Versorgungskanäle legen, sodass man jedes Modul schnell mit den Steuerschränken verbinden kann.
Den Bremsprüfstand verlegte Schwanfelder bewusst in die Mitte der Halle. So bleibt es im Winter warm, im Sommer (auch die Prüfhalle ist selbstverständlich klimatisiert) kühl, da die Hallentore sofort nach dem Einfahren des Autos geschlossen werden können. Zwei hintereinanderliegende Scherenbühnen des Herstellers Twinbusch mit 5,46 Meter Fahrbahnlänge übernehmen die tragende Rolle. Die vordere verfügt über einen integrierten Gelenkspieltester, an der hinteren hat Schwanfelder die Kamerakörper des Touchless-Achsvermessungssystems von Beissbarth aus München befestigt.
Zusätzlich wurde die Prüfstraße um ein zweites Achs-Meßsystem von Beissbarth erweitert, um auch Oldtimer , US-Fahrzeuge und Transporter zu vermessen.
Beissbarth lieferte auch den Reifenscanner „EasyTread" mit Kennzeichenerkennung durch die „Easy Cam", der gleich hinter dem Einfahrtshallentor als erstes Modul verbaut ist. Dann folgt die erste der zwei Scherenbühnen. Unmittelbar nach ihr hat Schwanfelder die Module Stoßdämpfertest (nach dem Eusama-Prinzip) sowie den Bremsprüfstand platziert - beide Produkte lieferte ebenfalls Beissbarth. Direkt daran schließt sich die zweite Scherenbühne an. Sie dient als Kombiarbeitsplatz für die berührungslose Vermessung, als Scheinwerfereinstellplatz und Kalibrierplatz für Fahrerassistenzsysteme (FAS). Auch hier sind wieder zwei Produkte des Münchner Werkstattausrüsters im Einsatz.
Beim FAS-Kalibriersystem setzt Schwanfelder auf das „Tech Pro Digita ADAS" von Mahle. Ihn begeistert dessen revolutionäre Technologie; ein UHD-Flatscreen ersetzt die bei anderen Anbietern üblichen Zieltafeln. Ein aufwendiges penibles Ausrichten des Tafelträgers ist hier nicht mehr nötig, da das Mahle-System sämtliche gemessenen Abweichungen selbsttätig korrigiert.
Ein aktueller Abgastester steht auch in der Halle, und in naher Zukunft soll noch das 3D-Krosseriemess-system „Touch" des Herstellers Spanesi Einzug in die Halle halten. Für eventuell kommende Prüfgeräte-generationen hat Rainer Schwanfelder vorgesorgt – und zwei Meter Leerraum in der Grube eingeplant.
Quelle: Redaktion "kfz-betrieb"